Nina’s Tagebuch
13. Mai 2024
Meine Handysucht – oder wie alles begann
Ich schmunzle über meinen ersten Titel. Er hat was so Ernsthaftes. Und Grössenwahnsinniges. Und auch ein bisschen was Dramatisches.
Mein Herz klopft und meine Atmung geht schneller. Die Energie in mir strömt von unten nach oben. Viel Energie. Soeben habe ich die ganze Küche mit Suppe vollgespritzt. Bzw. nicht ich, unser neuer Vitamixer. Oder wie auch immer dieses Ding heisst. Er hat ein «Hot Soup» Programm, welches ich ausprobieren wollte. Nicht kochen, dachte ich, jey! Naja.. Dafür ist meine Küche jetzt wieder mal richtig sauber geputzt. Aber wisst ihr, warum ich das erzähle? Weil es mir so total EGAL war. Weil meine Inspiration während der ganzen Küche-Aufräum-und-Suppe-doch-noch-auf-dem-Herd-koch-Action keinen Millimeter kleiner wurde.
Und jetzt sitz ich hier. Hab den PC eingeschaltet, kein Internet angestellt, alle anderen Programme geschlossen und mich vor ein leeres Dokument gesetzt. Ich musste der Versuchung nicht mal widerstehen, meine Mails zu checken.
Weil ich jetzt anfange zu schreiben. Und das bringt mich zum Lächeln. JA, ich schreibe. (Dieses Ja, hat sich von selbst in Grossbuchstaben verfasst;)). Weil ich es liebe zu schreiben. Und weil ich viele Dinge zu sagen habe.
Hier startet er: mein Dialog mit der Welt.
Hallo Welt.
Vielleicht doch noch ein bisschen Kontext.
Ich habe mich heute einem nahen Menschen von mir mit einem Thema in einer Session gezeigt, welches mich mit viel Scham erfüllt hat. Meine Handysucht. Dass ich sinnlos meine Nachrichten checke, schaue, wie viele Menschen auf meinen Webseiten waren. Ob ich neue Terminanfragen habe. Oder ob einfach jemand an mich denkt und sich bei mir meldet. Und das manchmal im Minutentakt. Auch jetzt, wenn ich das schreibe, spüre ich Scham. Und Trauer.
Ja, wie langweilig es mir war. Wie viel lieber ich Input konsumierte, als Output zu erschaffen. Und oftmals war mir ja sogar langweilig, weil der Input echt nicht inspirierend war.
Es ist unglaublich, welche Energie das gerade in mir freisetzt, wenn ich beim Abwaschen den sich überschlagenden Sätze in meinem Kopf zuhören kann, die ich in die Welt rausgeben möchte. Anstatt mir zu überlegen, was ich denn jetzt hören kann, um mir die Zeit beim Aufräumen zu verkürzen.
Gut, das reicht mal für heute. Eigentlich wollte ich ja erst in den Ferien starten und die gehen erst in drei Tagen los.. Aber da wollte schon was raus. Und oh wie dankbar ich dafür bin, dass ich endlich meiner Stimme eine Stimme gebe. Trotz allen möglichen (auch) Stimmen, die mir weismachen möchten, wie unsinnig das doch alles ist. Nein, auch wenn ich es nur für mich alleine mache, so hat es sich schon gelohnt. Ein inspirierter Mensch mehr auf dieser Erde. Was könnte sie denn mehr gebrauchen als das?
Gute Nacht!
19. Mai 2024
Frieden unter Frauen
Soeben sass ich auf unserer luxuriösen, absolut fantastischen Ferienhausterrasse hier in Sardinien. Mit diesem atemberaubenden Blick aufs Meer. Der ganze Horizont ist nur Meer. Ich sass also da und habe meinen Tee getrunken und seit längerer Zeit wieder mal das Wyberfest-Lied gesungen. Niemand hat mir zugehört, doch ich habe mir meine Zuhörer vorgestellt und musste selbst über ihre Gerührtheit weinen. Das war ein schöner Moment.
Dieses Lied ist letzten Sommer zu mir gekommen und handelt davon, wie wir Weiber unsere Waffen gegeneinander weglegen und uns gegenseitig schmücken. Mit unserer wahren Essenz, weil wir diese voneinander sehen und lieben. Und für und voneinander wollen, dass wir sie ganz zum Ausdruck bringen! Weil es keine Gefahr mehr darstellt, wenn eine andere Frau stark ist, wenn ich das auch bin. Und mir sicher sein kann, dass sie mich dahingehend unterstützen wird, meine Stärke immer mehr zu entfalten.
Weit weg sind wir davon heutzutage gesellschaftliche gesehen. Ich merke bei mir, dass Misstrauen anderen Frauen gegenüber schneller aus mir herauskommt als Vertrauen. Wie ich mit einem Messerstich rechne, nicht mit einer Blume. Oder einem selbstgebackenen Kuchen. Und dabei selbst mein Messer stets in Reichweite haben. Doch ich will dahin, dass wir uns vertrauen. Mit euch. Denn es macht keinen Spass ohne euch gross zu sein. Und ich bezweifle auch ernsthaft, ob das überhaupt möglich ist. Auf jeden Fall nicht ganz.
Beim Singen ist mir die Antwort auf eine Frage gekommen, die ich mir schon länger gestellt habe. Und zwar warum ich das Wyberfest überhaupt ins Leben rufe. Die Antwort ist simpel: Weil ich es liebe eine Frau zu sein. Weil ich es liebe, ein Weib zu sein. (Ja, ich bin da in mir drin noch nicht ganz durch mit der Frau/Weib Benennungsfrage… Aber dazu ein ander Mal.)
Es ist so was Wunderbares, ein Weib zu sein. Wenn ich das schreibe, spüre ich sofort meine Brüste aufleuchten und meine Yoni hüpfen. Der ganze Bereich, von Yoni bis Herz und Brüsten dehnt sich aus und nimmt mehr Platz ein in der Welt. Ich denke, dass ich erst ein kleines bisschen davon kenne, was es wirklich heisst, eine Frau zu sein. Auch deshalb, weil die kollektive Reaktion auf ein Weib, das seine Weiblichkeit wirklich verkörpert oft folgende ist:
Männer haben entweder Angst vor ihr oder probieren sie ins Bett zu kriegen. Frauen schliessen sie entweder aus und verurteilen sie oder himmeln sie an und probieren ihre beste Freundin zu werden. Und ganz ehrlich, das ist doch alles mega kacke. Die Welt wird erst ganz langsam bereit für echte Weiblichkeit. Genauso wie sie sich erst bereit macht für echte Männlichkeit.
Doch ich will wissen, wie es ist, in einer Horde von Weibern Weib zu sein. Und einer Horde von Männern darin zu begegnen. Huiuiui!
Darum mache ich das Wyberfest.
Ich sehe dein schönstes Selbst in dir und begegne dir so. Ich zeige dir mein schönstes Selbst, weil ich weiss, dass du es schützen und lieben wirst.
Das ist die Welt, in der ich leben will.
19. Mai 2024, eine Stunde später
Esmeralda spricht
Vor ein paar Tagen, kurz nachdem ich entschieden hatte, mit diesem Tagebuch zu beginnen, habe ich eine Ahnenreise gemacht. Da hat sich ganz besonders eine meiner Ahninnen bemerkbar gemacht, die Esmeralda hiess. Sie hat im Mittelalter gelebt und ihre stärkste Qualität war es, dass sie ihre Wahrheit gesprochen hat, ganz egal, was die Konsequenzen davon waren oder sein könnten.
Mich hat sie darum gebeten, ihr ab und zu in diesem Tagebuch eine Stimme zu geben, weil sie auch für die heutige Zeit noch einiges zu sagen hätte.
There we go, Esmeralda, the stage is yours!
Ich sehe euch. Auch wenn ich nicht mehr im Körper bin, bin ich doch sehr präsent mit eurer Welt. Ich beobachte euch und es berührt mich, was ihr macht. Und bei mir sind viele andere auch. Ihr seid nicht allein, auch wenn ihr das oft glauben mögt. Wir können euch unterstützen, wir können durch euch und für euch wirken, doch wir dürfen das nur, wenn ihr uns dazu einlädt und holt.
Nina: Warum wird mir übel, wenn ich diese Zeilen von dir schreibe?
Esmeralda: Es ist meine Wut, die du spürst. Ja, ich bin wütend. Wütend, weil ihr uns nicht hört. Wütend, weil es so lange gedauert hat, bis mich jemand erkannt hat und ich endlich wieder was tun kann. Denn es ist schon frustrierend, zu sehen, dass es an so vielen Ecken und Enden so viel Arbeit gäbe, und ihr uns das einfach nicht erlaubt. Nicht, aktiv, sondern wie gesagt, indem ihr uns keine Aufträge gebt.
Nina: Was wäre denn dein ganz persönlicher Lieblingsauftrag?
Esmeralda: Gehirne durchzublasen. Denn es hängen da einfach so viele Gedanken fest, ich sehe sie als dunkle Wölkchen, welche nicht zu euch gehören, welche ihr nicht selbst gedacht habt, welche euch nicht guttun. Sie halten euch von eurer Grösse ab. Es wäre einfach, sie nicht mehr zu haben und ich kann diese herauspusten. Ich kann das für dich und durch dich tun. Ich kann das für alle tun, die nach mich darum bitten. Also für alle, die das lesen. Bittet mich einfach darum und ich komme. Ihr könnt mich auch darum bitten, es für andere zu tun, wenn ihr sie um ihre Erlaubnis gefragt habt.
Esmeralda sagt gerade nichts mehr, doch ich spüre sie noch neben mir. Ich habe sie darum gebeten, mein Gehirn durchzublasen und habe gespürt, wie sies gemacht hat. Jetzt ist sie noch bei mir, hält von hinten meine Schultern und küsst sanft meinen Kopf. Sie füllt die Stellen, die sie geleert hat, wieder mit Liebe.
Und bei mir ist gerade Unsicherheit präsent. Ist das nicht komisch, solche Dinge zu schreiben? Sind sie abgespacet? Oder zu banal? Ich identifiziere mich mit dem, was sie sagt, anstatt einfach Kanal für sie zu sein. Ich bewerte sie aus den Augen, dessen, wie ich bewertet werden könnte. Aus dieser Angst heraus.
Bitte verzeih mir Esmeralda. Ich freue mich, dich immer mehr kennen zu lernen, dir vertrauen zu lernen und dir die Möglichkeit zu geben, in dieser Sphäre hier zu wirken.
Bassé. (Meine Art, abzuschliessen, wenn ich was wichtiges gesagt habe. Kommt aus der Bwiti Tradition in Afrika, Region Gabon, und bedeutet: «Das ist meine Wahrheit»).
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29.Mai 2024
Wie wir beim Windeln wechseln das Skelett unserer Kinder formen
Natürlich nicht nur beim Windeln wechseln. Auch wenn wir sie beim Gehen an der Hand halten und zu sehr am Ärmchen hochziehen. Das Skelett vom Baby ist noch nicht fertig. Es ist noch sehr flexibel und formbar. Sonst kämen wir ja gar nicht durch den Geburtskanal durch. Heute habe ich in meinem aktuellen Lieblingsbuch gelesen, dass wir zu Deformierung der Hüften unserer Kinder beitragen, ja, diese hervorrufen können, wenn wir sie falsch bewegen beim Windeln wechseln. Wenn wir sie immer nur an einem – dem gleichen – Beinchen hochziehen und dann das ganze Körpergewicht in demjenigen Hüftgelenk hängt, dann kann sich das so festsetzen. Ein solcher Prozess geschieht natürlich über Monate oder Jahre hinweg, doch es ist absolut crazy, findet ihr nicht?
Dass wir die Psyche und das soziale und emotionale Verhalten der Kinder vollkommen formen und prägen darüber, wie wir mit ihnen in Beziehung sind in der ersten Lebenszeit, das ist mittlerweile weit im Bewusstsein verbreitet und völlig logisch für mich. Doch dass wir durch unbewusstes Verhalten ihnen gegenüber ihr Skelett fehlformen können, das hatte ich mir bisher noch nicht überlegt! Und doch macht es vollkommen Sinn. Und zeigt mir einmal mehr auf, wieviel Aufklärung und Bewusstwerdung es kollektiv noch braucht, bis wir unseren Kindern wirklich gerecht werden werden.
Ich gebe zu, ich bin noch etwas im Schock über diese Information. Sie bringt mir die Dimension der Verantwortung, die es mit sich bringt, Eltern zu werden und zu sein, nochmals näher ans Herz. Klar, wir prägen die Gesundheit unserer Kinder auch damit, dass wir bestimmen, wie sie sich ernähren, wie wir damit umgehen, wenn sie krank sind, welche Medikamente wir ihnen geben, etc. Doch dass wir sogar bewirken können, dass es Fehlbildungen in ihrem Skelett gibt, das ist schon nochmals eine Ebene tiefer. Die die gleiche ist, wie die psychische, soziale, emotionale und so. Einfach in einer anderen Manifestation, halt so richtig tief verkörpert. Und dadurch eine Schicht verfestigter.
Die letzten zwei Tage waren einige meiner besten Freunde hier bei uns zu Hause. Wir treffen uns mindestens einmal pro Monat und begleiten einander durchs Leben und durch unsere Lebensprozesse. Diesmal war die Konstellation so, dass wir nur Paare waren. Und heute die Themen, die uns in unseren Partnerschaften bewegen, in der Gruppe geteilt, angeschaut und teilweise geheilt haben.
Und natürlicherweise sind wir viel bei unseren ersten Lebensjahren und der Beziehung zu unseren Eltern gelandet. Es berührt mich so tief, dass ich keinen Menschen kenne, welchem in diesen Jahren wirklich und wahrhaftig begegnet wurde. Welcher gesehen wurde in seinen Bedürfnissen und welchem vermittelt wurde, dass es willkommen, gut, geliebt ist, so und genau so wie er ist. Nicht mal die kleinen Wesen, die erst vor Kurzem hier auf der Erde inkarniert sind.
Schon oft bin ich dieser Wahrheit begegnet, schon viele Tränen habe ich vergossen darüber im Mitgefühl mit einzelnen. Und heute ist diese traurige Realität wieder mal sehr nah bei mir. Und bringt Schwere in mein Herz.
Jetzt spüre ich die Stimmen, die sagen, dass ich nun die Wende finden muss in diesem Text, das ganze ins Positive wenden und Hoffnung verbreiten. Aber nein, was jetzt gerade wahr ist in mir, ist die Präsenz dieser Schwere und Traurigkeit. Ich weiss, dass es noch ganz viele andere Aspekte gibt, dass alles heilbar ist, ich weiss auch, dass das Paradies auf der Erde wieder Einzug hält. Auch dies trage ich als Wahrheiten in meinem Herzen.
Doch heute fühle ich die abgefuckte, absolut unmenschliche Realität, die immer noch so viel Macht und Verbreitung hat auf unserem Planeten.
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7. Juni 2024 – SSW 4
Schwanger!
Ich bin schwanger. Wow. Es ist auf der einen Seite unglaublich und unbeschreiblich. Und auf der anderen so richtig normal und unspektakulär. Das ist schon spannend, diese grosse Bandbreite zu spüren.
Seit einer Woche bin ich nun sicher. Es kommt ein kleines grosses Wesen zu uns. Meine Gebärmutter arbeitet. Ich spüre sie fast immer. Es gibt sogar schon ab und zu ein Spannen in meinem Unterbauch. Was ich im Kopf schräg finde, weil der Embryo ja noch so winzig ist und die Fruchtblase jetzt in der 5. Woche nur ca. 1cm Durchmesser hat. Aber ich spürs trotzdem.
Was ich sehr bemerkenswert finde, sind die Shifts, die ich bezüglich Essen mache. Plötzlich fühlt sich gekochtes Gemüse nur noch tot an. Ich werde richtig picky: nicht mal mehr das Biogemüse aus dem Supermarkt macht mich an. Ich will Hofladen, Bioladen und am allerliebsten unseren eigenen Garten. Und zwar frisch. Essiggurken sind tatsächlich superbefriedigend, was ich sehr lustig finde. Und Speck! Haha.
Ja, ich finds mega spannend, weil nichts davon über den Verstand passiert. Ich kann zwar denken, ja, mein Baby braucht jetzt gutes Essen, aber so ist es nicht. Es ist wirklich mein Körper, der mir sagt: «Das ess ich nicht. Das nährt mich nicht. Das schon». Faszinierend!
Auch über Hormone lerne ich nochmals einiges. Und zwar hauptsächlich, wie sehr sie uns lenken. Eben, ich will jetzt andere Sachen essen. Oder auch das Arbeiten, «etwas aufbauen» verliert total an Bedeutung. Ich möchte in der Natur spazieren, kreativ sein und Nähe mit meinem Liebsten teilen. Da sagt mir mein System gerade: Das ist es, was wirklich wichtig ist. Schön, oder?
Und ich finds echt eindrücklich, dadurch zu merken, wie wenig ich selbst wähle, was ich mache oder will. Wie sehr es meine Hormone für mich tun. Immer. Nicht nur in der Schwangerschaft. Jetzt wird’s einfach total offensichtlich, weil eine krasse Umstellung in meinem inneren Cocktail passiert.
Das lehrt mich, mich selbst nochmals ein Stückchen weniger wichtig zu nehmen. Was ist schon wirklich meine Entscheidung? Und wo folge ich meinen Hormonen? Wo den Bakterien in meinem Darm? Und wo den Verhaltensweisen und Weltansichten meiner Ahnen, meines Landes, meiner Generation?
Und das Schöne ist, es ist mir grad gar nicht so wichtig.
12. Juni 2024 – SSW 5
Das Baby erschafft sich selbst
Das war die erste Sache, die ich von der Seele meines kommenden Kindes und von meiner Schwangerschaft gelernt habe. Es ist NICHT mein Körper, welcher das Kind macht. Mein Körper gibt ihm den lebenswichtigen Raum, die Bausteine, die Wärme, kurz: alle Bedingungen, die ein neues Lebewesen zu seiner Entstehung braucht. Doch das Kind trägt seinen eigenen Bauplan in sich, ab dem Moment, wo seine DNA durch die Vereinigung von Samenzelle und Eizelle entsteht. Da drin ist enthalten, wie es wachsen und wie sein Körper aussehen wird, nicht in meinem Körper. Da habe ich keine Ahnung davon. Wenn ich den Körper erschaffen würde, dann würde das Baby eine identische Kopie von mir werden, etwas anderes kann mein Körper nämlich nicht.
Für mich war diese Erkenntnis revolutionär, denn ich hatte meinen schwangeren Freundinnen und Klientinnen oft Dinge gesagt wie: «Dein Körper erschafft grad einen Menschen», als eine Form von Wertschätzung. Und jetzt merke ich, das ist ja gar nicht wahr! Auf jeden Fall vollbringt der Körper der Mutter eine Meisterleistung, denn er stellt ja dem Fötus alles Materielle zur Verfügung, was es braucht, um sich zu formen. Als Mutter nähre ich, schütze ich, doch kreieren tut das Menschlein selbst.
Ich muss sagen, das berührt mich sehr. Denn es verdeutlicht eine gesunde Abgrenzung von Mutter und Kind, die dem Kleinen von Anfang an eine essenzielle Autonomie zugesteht. Du bist nicht mein Eigentum, weil ich dich erschaffen habe. Du bist von Anfang an der Schöpfer deines Selbst. Du bist als eigenständiges Wesen in meinem Körper und ich diene dir für den Prozess deiner Entfaltung zu. Ja, es war «humbling» für mich, hat mich auf meinen Platz gerückt. Meine Bedeutung kriegt durch diese Erkenntnis was sehr passives, ja eben, dienendes, Raum gebendes, Raum seiendes. Das Gestaltende des Inneren ist nicht meine Aufgabe. Das des Äusseren jedoch zu 100%.
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Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben.
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20. Juli 2024 - SSW 11
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Was mich Geburtsvorbereitung über BDSM verstehen lässt
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Lange habe ich nicht geschrieben. Das liegt insbesondere daran, dass ich meistens wenig Energie habe und der Umgang mit elektronischen Geräten anstrengend für mich ist. Ich habe echt nicht mehr viel Lust auf Handy & co. Das find ich ziemlich toll. Denn mit Kind mögchte ich den Gebrauch eh auf ein Minimum reduzieren. und dass die Natur mir diesen Prozess grad praktisch abnimmt, find ich fantastisch!
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Ja, warum schreibe ich heute? Es gibt ein paar Erfahrungen und Erkenntnisse aus meinen ersten Schwangerschaftswochen, die ich gerne teilen will.
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Ich liege wirklich viel. Weil ich müde bin. Dann kann ich stundenlang rumliegen, manchmal döse ich auch ein, ohne, dass es mir langweilig wird. Das konnte ich früher nie! Manchmal frage ich mich, ob das okay ist, so "nichts zu tun". Aber hey, that's far away from reality! Ich nähre ja 24/7 einen kleinen Körper aus meinem Körper. Und dieser kleine Körper verdoppelt sich zur Zeit jede Woche beinahe in seiner Grösse!
Ich wünsche allen Schwangeren, dass wir uns das selbst zugestehen können, jetzt halt müde zu sein. Und dass unser Umfeld uns dabei unterstützen und mittragen kann.
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Eine zweite Sache, die ich wichtig zum Teilen finde, hat mit dem Thema Schmerz zu tun. Es ist tief in unserer Gesellschaft verankert, dass eine Geburt etwas vom Schmerzvollsten ist, was ein Mensch erfahren kann. Nur sehr wenige wissen, dass es lustvolle, ekstatische, orgasmische Geburten gibt. Und wieviel unsere Sexualität mit Geburt zu tun hat.
​Ich setze mich schon länger mit diesen Themen auseinander und habe in meiner Schwangerschaft nun angefangen, in ganz alltäglichen Situationen zu üben, Schmerz anders wahrzunehmen als vorher. Vor Kurzem bin ich zum Beispiel barfuss über extrem heissen Teer gelaufen. Meine Haut tat wirklich weh. Doch ich habe probiert, die Empfindung, die ich hatte, nicht als Schmerz zu definieren, sondern als eine intensive Empfindung, die gerade durch meinen Körper geht. Ich habe die Hitze gespürt, wie sie in meine Fusssohlen floss und weitere Wellen durch meinen Körper zog. Ich war einfach nur ganz präsent mit dem, was tatsächlich in meinem Körper geschah und habe mich dahinein ausgedehnt. Die "natürliche" Reaktion, die gekommen wäre und die ich so neu geschrieben habe, war die Schmerzreaktion, die meinen Körper hätte zusammen ziehen lassen und die sich mehr in den Kopf zurück gezogen hätte mit Worten wie "Au, tut das weh, shit!!" Doch stattdessen bin ich weit geworden und mit meiner Wahrnehmung in meinem Körper geblieben.
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Und so konnte das Laufen auf der brennenden Strasse für mich tatsächlich zu einer ekstatischen Erfahrung werden!
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4. September 2024 – SSW 17
Die Botschaften des Kindes hören
Ich mache in der Begegnung mit meinem ungeborenen Kind wirklich schöne und faszinierende Expansionsschritte. Zum Beispiel lerne ich viel über Telepathie. Und wie einfach sie eigentlich ist.
Zugegeben, in meinem Körper leben gerade zwei Seelen. (Zumindest immer mehr, auch wenn die Seele meines Kindes bestimmt auch noch ganz viel Zeit ausserhalb verbringt.) Das erleichtert es auf jeden Fall, die Botschaften, die mir diese Seele übermittelt, telepathisch wahrzunehmen. Aber hey, irgendwo müssen wir ja anfangen;)
Hier möchte ich heute teilen, wie ich sie wahrnehme. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ganz ganz viele Schwangere das auch tun, aber nicht merken, dass das, was sie wahrnehmen, in Wirklichkeit die Stimme ihres Babys ist.
Oftmals sehen die Botschaften im ersten Moment aus wie meine eigenen Gedanken oder Impulse. Sie gehen auf die gleiche Art und Weise durch mich durch, wie wenn ich sonst was denke oder einen Impuls verspüre.
Wie erkenne ich nun, dass es nicht meine eigenen Gedanken sind?
Es gibt Dinge, die sind anders, seit ich schwanger bin. Ich habe z.B. wieder grosse Lust, zu reisen. Das hat angefangen, als ich ganz frisch schwanger war, noch bevor ich es selbst wusste. Schon da starteten Träumereien über fremde Länder und weiten Reisen.
Erst mit der Zeit habe ich gemerkt, dass das vom Baby kommen muss. Diese Gedanken hatten nämlich immer eine bestimmte Euphorie dabei, die etwas eine andere Energie hat als meine eigene. Es ist eine Aufregung des Nicht-Kennens, der Neugierde auf etwas völlig Unbekanntes. Und es war einfach so extrem und anders, als ich mich vor der Schwangerschaft innerlich in Bezug auf andere Länder gefühlt habe, dass es nun klar für mich ist, dass diese Abenteuerlust ein Wesenszug meines ungeborenen Kindes ist.
Manchmal kommen auch Gedanken wie aus dem Nichts zu mir. Ohne Kontext zu dem, was vorher oder nachher war. Oder was ich sonst weiss und nicht weiss. Es ist eine Art intuitives Wissen, eine innere Klarheit, die plötzlich da ist. Der auch im Aussen nichts im Weg steht.
Unser Kind hat uns sehr klar gezeigt, wo und wie es zur Welt kommen möchte. Und es ist immer wieder sehr berührend für mich, wie sich im Aussen alles so leicht fügt, wie sich die richtigen Menschen, Orte und Umstände zusammenfinden, ohne dass wir viel dafür tun müssen. Ohne Widerstände.
Und klar, das mit der Kommunikation geht in beide Richtungen. Nicht nur wir können die Botschaften unseres Kindes empfangen, sondern auch das Kind unsere. Wir haben unser Baby ganz klar dazu eingeladen, sein und unser Leben mitzugestalten. Wir haben es auch darum gebeten, uns bei der Umsetzung gewisser Visionen zu unterstützen.
Denn in diesem Zustand, wo es jetzt gerade ist, schon verbunden mit dem Irdischen und doch noch vorwiegend in der geistigen Welt zu Hause, hat es enormen Handlungsspielraum mit klaren Konsequenzen für unsere Lebensrealität.
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Yes, let's play!
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7. September 2024 – SSW 18
Lehrerin sein unter Lehrerinnen
Heute hab ich mich wieder mal etwas im Handy verloren. Ganz oft Mails angeschaut und Nachrichten gecheckt, ohne, dass was Neues reingekommen wäre. Das merk ich dann und weiss, dass ich grad nicht in dem Zustand bin, in dem ich sein und leben will. Was ich in solchen Momenten brauche, ist Output. Schreiben, Tanzen, Musik machen, Beten, Basteln, Kreativ-Sein.
Das weiss ich. Und doch dauerts manchmal eine Weile, bis ich mich dann aufrappeln kann, es auch zu tun. But here I am, und schreibe.
Ich habe gestern ein tiefes und sehr limitierendes Muster von mir entlarvt.
Dieses Muster hat mir gesagt:
«Ja, okay, ich kann führen und leiten, ich kann Lehrerin sein, aber nur..
… wenn die anderen anwesenden Menschen mich bereits dafür anerkannt und erkannt haben. Ich also sicher bin.
… wenn es keine «grössere» Lehrerin, keinen «grösseren» Lehrer im Raum hat.»
Besonders der zweite Punkt ist mir gestern wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich habe mein Umfeld immer so abgecheckt und wenn ich jemanden entdeckte, den ich als weiter einstufte als mich, hab ich mich in mein Schneckenhaus zurück gezogen. Das war so ein richtig radikaler Teil von mir, der tief und fest glaubte, der Raum «gehöre» dann demjenigen Menschen.
Erst gestern hab ich gemerkt, wie unglaublich absurd das ist! Es sind Vergleiche, die null Sinn machen. Denn es gibt keine Lehrerinnen oder Lehrer, welche grössere Lehrer sind in meinem Gebiet als ich. Das gibt’s nicht. Und ich und auch sonst niemand ist grösser als sie.
Es landet erst langsam bei mir, wie sehr es mich entspannt, wenn ich neben anderen Lehrerinnen, Lehrerin sein darf. Wenn es kein entweder oder mehr gibt. Was dabei rauskommt ist, dass wir uns gegenseitig beschenken. Ja wir sogar vielleicht miteinander die Welt beschenken.
Wenn ich da drin lebe, so muss ich mich nie wieder verstecken.
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28. Januar 2025 – SSW 38
Schwangerschaft und Sexualität
Schon lange wollte ich über dieses Thema schreiben, nun ist der Moment gekommen. Denn ich möchte durchs Erzählen meiner Erfahrung davon, viel verbreitete Meinungen in Frage stellen und im besten Fall eine neue Perspektive darauf ermöglichen.
Ich meine damit hauptsächlich den so viel gesagten Satz: «Ja und dann sind die Kinder gekommen und fertig wars mit dem Liebesleben. So ist das halt.»
Ich glaube nicht, dass das so ist. Bis jetzt blicke ich auf eine fast vollendete Schwangerschaft zurück, kann also noch gar nichts darüber sagen, wie es wird, wenn das Kind dann tatsächlich als eigenständiges Wesen mit im Bett liegt. Doch bei vielen hört der Sex ja bereits mit der Schwangerschaft auf und diese Phase möchte ich heute beleuchten. Ich hätte diese Abzweigung nämlich sehr leicht auch nehmen können. Doch das wollte ich nicht.
Von Anfang an. Ein paar Wochen vor der Empfängnis unseres Kindes, nachdem wir es bereits eingeladen hatten, hat sich meine Lust auf Sex komplett abgestellt. Ich muss dazu noch anmerken, dass ich mir als Seele für dieses Leben sexuelle Heilung als eines meiner Hauptthemen gewählt habe. Meine Beziehung zur Sexualität war also auch vorher nicht unkompliziert und oft mit Forschung, Heilung und Prozessarbeit verbunden. Doch dieses komplette Abstellen meiner Libido in der oben erwähnten Phase war trotzdem auffällig. Ich nutzte diese Tatsache damals als Möglichkeit, noch tiefer reinzugehen, woher das kam. So kamen tiefgreifende seelische Ursachen zum Vorschein, die mir viel Klarheit und auch Selbstmitgefühl in meinen Themen brachten und meinen sexuellen Heilungsprozess gemeinsam mit meinem Partner auf eine tiefere Ebene brachten.
So ging das weiter. Denn auch als ich dann schwanger war, war in der Sexualität einfach vieles nicht mehr so möglich wie vorher. Seien es Positionen, eine andere Empfindsamkeit gegenüber Berührungen (die auch noch je nach SS-Phase wieder komplett variieren) oder gewisse «Neins», die ganz tief aus meinem Schossraum kommen, die durch die Schwangerschaft aktiviert wurden, die ich vorher gar nicht gehört hatte. Der Schossraum wird lauter, eine Schwangerschaft berührt unsere Sexualität auf tiefste Weise. Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass wir durch die Schwangerschaft gewisse sexuelle Botschaften einfach nicht mehr überhören KÖNNEN. Und dass die Reaktion von vielen Frauen und Paaren dann halt ist, keinen Sex mehr zu haben. Denn die Aufforderung dieser Zeit ist Veränderung. Das Potenzial, das sie birgt, ist ein Finden einer stimmigeren Form von Sex, ein Nein sagen zu dem, was auch vorher schon nicht wirklich wahr, verbunden und befriedigend war. Und das ist ein Weg. Ein Weg, der oftmals auch durch Schmerz, Frust und Unwissen hindurchgeht, da wir einerseits mit Emotionen konfrontiert werden, die wir vorher erfolgreich(er) verdrängen konnten und andererseits noch gar nicht wissen, was denn das Neue sein wird.
Bei mir und uns ist es immer wieder unglaublich anstrengend. Ich bin oft am Punkt, wo ich keine Energie habe für einen sexuellen Raum, weil ich grad keine Kapazität für Prozesse habe. Nicht dass jeder sexuelle Raum vollgestopft mit Prozessen ist, doch die Möglichkeit, dass es da rauskommt, ist einfach da und gar nicht so unwahrscheinlich. Seit wir uns so tief auf diesen Prozess eingelassen haben, haben wir diese Tatsache mit akzeptiert und sagen Ja zu ihr. Das hat den Frustpegel auf jeden Fall enorm gesenkt. Und wir verfügen über mehr Bewusstsein darüber, was es gerade an Kapazität in uns braucht, um einen sexuellen Raum zu öffnen.
Jetzt aber bitte noch ein bisschen mehr Positives! Denn es ist ein Weg, den ich als SEHR lohnend empfinde! Wir haben immer wieder Durchbrüche, wundervoll verbundene sexuelle Erfahrungen. Und dann diese Erlebnisse, dass es nun vielleicht nicht ein sexuell befriedigender Raum ist, doch bringt uns das gemeinsame Durchfühlen der Themen, die sich zeigen, oft in eine so grosse Herzverbundenheit, dass es einfach nur tief berührend ist. Der Weg, den wir da gerade gemeinsam gehen, bringt uns so viel näher zu uns selbst und zu einander.
Wir lassen Bilder davon los, was Sex ist und was eben nicht. Es geht immer mehr um Verbindung, Nähe, gegenseitiges Nähren und darum, die echten Bedürfnisse und auch Schmerzpunkte voneinander zu sehen und zu respektieren. Und ich glaube fest daran, dass uns diese Skills, die wir gerade viel in der Schwangerschaft entwickeln, durch unsere Zeit als Eltern kleiner Kinder tragen werden. Denn unsere Sexualität ist lebendig. Wir leben eine Sexualität, die immer mehr so echt und verletzlich wird, dass es sich überhaupt nicht komisch oder falsch anfühlt, wenn ich mir vorstelle, dass da ein Baby daneben liegt. Oder in meinem Bauch mit dabei ist.
Ich bin voller Vorfreude, herauszufinden, wie sich die Erfahrungen der Geburt und der Elternschaft auf unsere Sexualität auswirken werden. Gerade die Geburt, die ich dank der Lustgeburts-Doula Amira Gorski, die mich in meiner Schwangerschaft sehr begleitet und inspiriert, als sexuelles Erlebnis für mich umdefinieren durfte. Da werden sexuelle Zonen von mir berührt, die sonst nie berührt werden. Was das mit mir und meiner Sexualität machen wird, kann ich kaum erwarten, zu erfahren.
Da wird’s dann sicher einiges zu berichten geben.
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​25. März 2025
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Holding my child is the most sacred act of the universe
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Why?
Because she deserves it.
She is pure love, pure perception.
She‘s out of my whomb, though not yet ripe.
I can do whatever I want with her. And what I‘ll do now, will shape so much of the experience of her incarnation.
Holding her is the act I choose, my sacred answer to life.
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29. März 2025
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Unsere Geburtsvision (geschrieben im Juli 2024, ca SSW 8)
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"Wir wollen unser Kind in einem zeremoniellen Rahmen zur Welt bringen. Dies beinhaltet nicht nur die Geburt selbst, sondern auch die Wochen davor und danach. Dafür wünschen wir uns Menschen, GeburtshüterInnen, welche die zeremonielle Natur dieses Übergangs tief verkörpern und uns mit Ritualen begleiten können. Am liebsten Menschen, die selbst in der Welt traditioneller Lebens- und Hebammenkunst aufgewachsen sind. Da wir eher davon ausgehen, dass diese BegleiterInnen in Europa nicht mehr vertreten sind, tendieren wir zu einem Geburtsort bei indigenen Völkern, am meisten Resonanz hat für uns aktuell Lateinamerika.
Wir wünschen uns einen Ort, wo wir einige Woche vor der Geburt in Ruhe in einem eigenen Hüttchen ankommen können und auch in der ersten Zeit mit dem Neugeborenen bleiben, bis wir alle bereit sind und der Impuls kommt, weiter zu reisen. Der Ort ist umgeben von wilder und kräftigender Natur. Wir wünschen uns im Vorfeld erfahrene GeburtshüterInnen, welche mit uns den Übergang ins Elternsein zelebrieren können und uns für die bevorstehende Geburt stärken und auf eine selbstbestimmte Erfahrung vorbereiten.
Während der Geburt selbst wünschen wir uns hauptsächlich Menschen, welche den zeremoniellen Rahmen halten, in Gebet und Gesang und uns weitestgehend alleine gebären lassen. Menschen, die präsent sind, wenn wir sie brauchen, sich aber nicht einmischen, ohne gefragt zu werden. Wir möchten keine Routine-Untersuchungen. Gebären möchten wir gerne in dem Hüttchen, wo wir wohnen, in einer Schwitzhütte oder, falls wir in einer Art Geburtszentrum sind, in einem speziell dafür gedachten Geburtsraum. Ja, die Geburtsvorbereitung und auch die Geburt selbst mit Schwitzhütten zu unterstützen, können wir uns sehr gut vorstellen.
Nach der Geburt wünschen wir uns Raum, um in ganz viel Ruhe anzukommen. Es sollen keine Interventionen wie wägen, waschen etc. durchgeführt werden, bis wir dazu bereit sind. Diesen Zeitpunkt bestimmen wir als Eltern. Auch der Planzenta soll so lange Zeit gegeben werden, wie sie braucht, um geboren zu werden. Die Nabenschnur werden wir im Rahmen einer Lotusgeburt nicht durchtrennen, sondern warten, bis sich das Kind und die Planzenta von selbst voneinander lösen.
Für die erste Zeit im Wochenbett wünschen wir uns Menschen, die uns rundum versorgen, mit Essen, Getränken, emotionaler und ritueller Unterstützung. Vielleicht bringen wir auch jemanden mit dafür. Auch diese Zeit soll zeremoniell gestaltet sein, das Kind willkommen zu heissen, uns in unseren neuen Rollen als Mutter und Vater willkommen zu heissen und den Vorgang der Geburt ganz achtsam und bewusst wieder zu schliessen.
Wir würden uns freuen, am Geburtsort noch einige Wochen bleiben zu können und weiter in einem unterstützten Rahmen im Neuen anzukommen.
Der Geburtstermin ist Mitte Februar.
Max und Nina"
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Lange war ich unschlüssig, ob ich diese Vision öffentlich teilen sollte. Doch vor einiger Zeit kam der Impuls dazu. Ich habe sie gerade eben zum ersten Mal seit Monaten wieder gelesen und bin berührt davon, wieviel von ihr wahr geworden ist. Bis auf kleine Abweichungen ist unsere Geburts- und Elternschaftsreise so geschehen.
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Noch immer befinden wir uns in Mexico. Wir haben unsere Tochter in einer langen und magischen Hausgeburt in einem wunderschönen runden Haus umgeben von kraftvollen mexikanischen Bergen auf der Erde willkommen geheissen. Zwei traditionelle Hebammen waren bei uns, meine Geburtswellen waren begleitet von Gopal (Räucherwerk), Gesang, Feuer und Wasser. Die Hebammen waren etwas weniger alt und erfahren als gedacht und haben den zeremoniellen Rahmen während der Geburt nicht so tief gehalten, doch haben sie uns voller Ruhe und Geduld und sehr raumgebend begleitet. Max und ich selbst haben einen sehr schönen zeremoniellen Raum geschaffen, was so gut gestimmt hat für uns. Nach der Geburt hat meine Hebamme schöne Ritual zur Schliessung des Geburtsvorgangs mit mir durchgeführt.
Da sich unser Kind 10 Tage früher als erwartet auf den Weg an die Luft machte, waren wir fürs Wochenbett etwas weniger vorbereitet und gestützt als gewünscht, doch ansonsten können wir echt sagen: Check! Mega schön!
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Detaillierter Geburtsbericht wird folgen.
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30. Mai 2025
Gestern bin ich zum ersten Mal als Mutter an meine Grenzen gekommen. Das ist ein sehr verletzlicher Eintrag, ich schreibe ihn, um mein noch trauriges Herz bei der Verarbeitung zu unterstützen.
Max ist seit drei Nächten (von insgesamt fünf) weg von uns, zum ersten Mal länger als ein paar Stunden. Zwei von diesen drei Abenden, gestern und vorgestern, konnte unsere Tochter lange nicht in den Schlaf finden und hat geweint. 1.5/2 Stunden lang. Sie hatte einen solchen Abend auch kurz bevor Max abgereist ist, schon mal.
Die ersten beiden Male konnte ich bzw. wir es nehmen, abwechseln zwischen ihr Zuhören und Raum für ihren Ausdruck geben, sie mit Lichtlein ablenken, was sie sehr fasziniert, sie herumtragen, für sie singen, sie zu stillen probieren. Vorgestern wurde ich dann irgendwann auch erschöpft und wütend. Doch gelang es mir leicht, in mir die klare Haltung einzunehmen «Jetzt ist genug», sie in der Trage an die Brust zu nehmen und meine Wut in lauten Gesang und Gerassel zu verwandeln. In diesem klaren und auch intensiven Raum schlief sie dann schnell ein.
Ich schloss dann daraus für nächste Male schneller klar zu werden, sie mehr zu führen. Doch gestern hat alles nicht funktioniert. Habe alles probiert, doch sie konnte sich nicht beruhigen. Da ich es auch schon kommen gesehen hatte und das Einschlafen zuerst doch ganz leicht zu gehen schien, war ich umso enttäuschter, als sie dann, als wir im Bett lagen (sie war vorher schon am Schlafen gewesen), wieder wach und sehr unruhig wurde.
Ich wurde schnell wütend, drückte diese Wut ihr gegenüber 1-2x auch mit Worten aus wie «Mann, was hast du denn jetzt schon wieder». Einmal drückte ich sie auch einfach als Energie nicht gegen sie gerichtet aus, mit einem Schlag aufs Bett und einem Brüllen. Das fühlte sich aber nicht gut an, sondern so, dass ich ihr den Raum nicht mehr sicher hielt. Also probierte ich es wieder mit Tanzen, Rasseln und Schütteln mit ihr in der Trage, doch auch das beruhigte weder sie noch mich nachhaltig.
Also packte ich uns warm ein und beschloss, rauszugehen auf einen Spaziergang. Ich war aber schon so emotional, dass es wirklich nur noch schlimmer wurde. Sobald Chaya mehr weinte, weinte ich auch und war gleichzeitig wütend. Es kreisten Gedanken durch meinen Kopf wie «Jetzt bist du einmal allein und schaffst es gleich nicht mehr», «Ich muss mir und den anderen zeigen, dass ich das alleine kann», «Gestern hats ja auch funktioniert und ich war so stolz auf mich, ich darf heute nicht versagen», etc. etc.
Ich glaubte diesen Sätzen schon nicht komplett, doch sie waren unheimlich laut. Alles Atmen und Körperfokussieren half nichts. Plötzlich schoss aber die Klarheit in mich rein – und zwar gefühlt, nicht nur im Kopf wissend – dass es jetzt sogar meine Pflicht ist, um Hilfe zu fragen, um mir und meinem Baby nicht mehr zu schaden. So kehrte ich um und klopfte bei meinen Eltern, die aktuell im selben Haus wie wir wohnen. Meine Mutter nahm mir sogleich die Kleine ab und begann mit ihr rumzulaufen und mein Vater bot mir einen Tee an, den ich gerne annahm und gleichzeitig einen kleinen Ego-Tod erlebte.
Es war so schön und heilsam, ihre Präsenz zu spüren und ihre Unterstützung anzunehmen. Die ersten paar Minuten weinte ich auf dem Sofa, während meine Tochter in den Armen meiner Mutter für einige Zeit ruhiger wurde. Zu dritt dauerte es dann immer noch eine ganze Weile bis Chaya dann endlich zur Ruhe kam - inkl. Spaziergang mit dem Grossvater, von dem sie immer noch aufgebracht zurückkam. Doch danach konnte sie dann an meiner Brust in den Schlaf finden.
Jetzt am nächsten Morgen fühle ich mich immer noch ganz roh. Es hat geschmerzt, diese Erfahrung zu machen.
Beim Reflektieren denke ich, dass es die Kombination ist von zwei Dingen ist, die es so schwierig gemacht haben. Einerseits, es fast nicht auszuhalten, dass mein Kind im Schmerz ist, ich nicht weiss, warum und nichts dagegen tun kann. Andererseits die Erwartungen, die ich an mich als Mutter habe und die Selbstvorwürfe, die daraus resultieren.
Ich war also wütend auf MICH, doch habe ich diese Wut aufs Weinen meines Kindes projiziert. Denn ihr Weinen ist ja der Beweis dafür, dass ich eine schlechte Mutter bin, und das darf ich nicht sein, also muss mein Kind mir das mit seinem Verhalten beweisen. KRASS!!
Es tut weh und gleichzeitig gut, das so schwarz auf weiss vor mir aufgeschlüsselt zu sehen. Damit ich nächstes Mal, statt in dieser unrealistischen Erwartung an mich und an sie zu verharren, ins Mitgefühl kommen kann für den Schmerz der gerade da ist. In ihr und in mir. Sie darf Schmerzen haben und ich darf nicht perfekt und überfordert sein. Und uns beide darin lernen zu lieben.
Denn Schmerzen gehören nun mal auch zum Paradies.
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23. Mai 2025 (fertiggestellt am 18. September 2025)
Unsere Geburt
In der Nacht von Freitag auf Samstag hatte ich erste sanfte Wellen (benutze ich lieber als «Wehen»). Sie waren den Übungswellen, die ich schon seit einigen Wochen öfters hatte, sehr ähnlich. Da wir unser Kind erst etwa 10 Tage später erwarteten, gingen wir davon aus, dass das noch nicht das Einläuten der Geburt war. Am Tag waren sie dann auch fast verschwunden, was uns veranlasste, noch in die Stadt zu gehen und einen Grosseinkauf zu tätigen. Nur selten musste ich stehen bleiben und durch eine Welle atmen, sie sich durch mich bewegte. Irgendwann hatte ich doch das Gefühl, dass ich jetzt nicht mehr am richtigen Platz war und wollte schnellstmöglich nach Hause in unser temporäres Haus in Mexico.
Da wurden die Wellen wieder regelmässiger, wenn auch noch mit langen Abständen – gemessen haben wir die Zeit nie. Meine Hebamme Mariela meinte, das seien bestimmt noch Übungswellen, ich war jedoch bald ziemlich sicher, dass sich unser Baby nun auf den Weg gemacht hatte. Sie machte am Abend ein «Mini-Temazcal» mit mir, eine kleine Schwitzhütte, wo ich mich nackt in eine Decke einwickelte und über im Feuer erhitzte Steine stellte. Mariela übergoss sie mit Wasser und Kräutern und liess den Dampf zu meiner Yoni und über meinen ganzen Körper hochsteigen. Dies sollte die Geburt entweder in Gang bringen oder meine Gebärmutter beruhigen, sodass ich noch etwas schlafen konnte. Gleich nach diesem kleinen Ritual ging ich ins Bett.
Am Feuer hatten wir gesungen und getrommelt, ich sang das Seelenlied unseres Kindes und wann immer eine Welle kam, wurde mein Gesang nur noch kräftiger. Währenddessen sass ich auf einem Ball und kreiste mein Becken. Ich war tief mit meiner Kraft verbunden und genoss diesen aussergewöhnlichen Moment.
Die Nacht auf Sonntag konnte ich dann zwischen den Wellen immer wieder schlafen oder zumindest ruhen. Die liegende Position war ungemütlich und die Wellen unangenehmer, als wenn ich mich bewegte. Doch ich vertraute Mariela, dass die Priorität zurzeit noch ruhen war und blieb im Bett. Als der neue Tag anbrach, stand ich auf und war im Fluss mit den Wellen. Mariela und ihr Partner, der Besitzer von unserem Haus, kamen und ich wollte, dass sie den Gebärpool aufstellten, um mich sicher und vorbereitet zu fühlen. Über den Tag wollten sie noch an einen Fluss gehen. Max und ich waren zu Hause und verbrachten wunderschöne Stunden. Wir hatten eine grosse schöne Badewanne im Haus, worin ich den Rest des Tages verbrachte. Ich hatte von unserem Segensfest, das wir kurz vor unserer Abreise von unseren nächsten Menschen erhalten hatten, viele Rosenblüten dabei, gesegnet und aufgeladen vom Frauenkreis. Diese schenkte ich ins Badewasser und stellte Musik einer meiner besten Freundinnen an, welche auch in diesem Kreis für mich gesungen hatte. So verbunden mit meinen Schwestern sang ich mich Welle durch Welle und genoss meinen Körper, die Bewegungen meiner Gebärmutter, den Duft der Blüten und das Wunder, das sich gerade ereignete. Zeitenweise legte sich Max zu mir in die Wanne und wir erlebten sehr innige Momente. Zu anderen Zeiten war er damit beschäftigt, dass Wasser warm zu erhalten, was mit mexikanischer Infrastruktur gar nicht so einfach war;-)
Abends assen wir mit Mariela, sie fragte mich, wie es gehe und war immer noch unsicher, ob ich schon in der Geburtsarbeit war. Ich glaube das war so, weil ich die Wellen so genoss. So erschienen sie von aussen nicht so intensiv wie sie in Wahrheit waren. Sie empfahl mir immer noch zu ruhen. Mein innerer Impuls wäre anders gewesen – voll rein, Cacao trinken, tanzen, mich innerlich aufs Vorangehen statt Zurückhalten fokussieren. Ich vertraute ihr dennoch nochmals und wir bereiteten mir im Bett eine Position vor, die mich aufrechter ruhen liess. So verbrachte ich einige Stunden, doch stand dann bald mal auf und legte mich zurück in die Badewanne, wo ich am allerwohlsten war.
Nun folgte die nächste sehr kraftvolle Phase meiner Geburt. Hier offenbarte sich mir eine Superpower von Geburt, die ich so noch nie erzählt bekommen hatte.
Geburt als Zeremonie, jede Welle als Einladung zu Transformation und Heilung.
Es gibt immer wieder Schwellen bei der Geburt. Innere Hindernisse, Widerstände, Ängste, die es zu überwinden gilt, um im Fluss zu bleiben. Jede Schwelle ist eine Einladung zu expandieren und birgt gleichzeitig das Risiko, da stehen zu bleiben. Ich glaube, dass Geburt dann schmerzhaft wird, wenn wir bei einer solchen Schwelle stehen bleiben. Wenn wir uns ihr aber hingeben, so erreichen wir die nächste Ebene unserer eigenen Kraft und Grösse.
Mir half in diesem Prozess die Arbeit mit Affirmationen enorm. Ich spürte jeweils, wo es hakte, z.B. wurden die Wellen intensiver und ich zog mich mit meiner Präsenz etwas aus meinem Becken zurück. Die Affirmation, die ich mir dann sagte oder in Stille dachte war: «Ich bewohne mein Becken voll und ganz.» Diese wiederholte ich so lange, bis ich sie wieder verkörperte. Meist kam dann sogleich die nächste Schwelle und mit ihr eine neue Affirmation.
«Jede Welle ist meine Kraft.»
«Ich öffne mich für meine nächste Grösse.»
«Ich öffne mich für dich und dein Leben.»
… sind Sätze, die mich begleitet haben und an die ich mich noch gut und kraftvoll erinnere.
Die Wellen widmete ich jeweils meinen Affirmationen und es war bemerkenswert, wie sich die Intensität der Welle dem anpasste, wie weit weg die Affirmation von meiner Realität noch war.
Als es langsam Tag wurde, entschieden wir irgendwann, dass es jetzt an der Zeit sei, Mariela zu uns zu holen. Es gab kleine Unsicherheiten in mir, ob die Geburt nicht zu lange dauere, es war jetzt schon Montag. Ich wollte gerne ihre Einschätzung dazu hören und bat sie, mich vaginal zu untersuchen. Ich war ca 5-6cm offen, was sie wunderbar fand und sogar schnell. Ich war noch etwas skeptisch, doch gab mich dem hin.
Den Montag verbrachte ich hauptsächlich draussen, im Schatten der Bäume des Gartens, am Naturpool. Es war heiss. Und doch machte Max ein Feuer, das uns mit den Raum hielt. Er trommelte und ich sang über 10m Distanz hinweg. Meine Hebamme machte mir einen Cacao mit geburtsfördernden Pflanzen, ich stellte eine Musik an, die mir sehr gefällt. Ich tanzte und sang und war unglaublich berührt. Vom Leben, von meinem Leben, von der Geburt. Ich weinte, weil ich mich so sehr mit meiner Seele und ihrer Aufgabe auf diesem Planeten verbunden fühlte.
Im Verlaufe des Tages kamen körperliche Herausforderungen auf mich zu: ich hatte starkes Sodbrennen und einen Stich in der Seite des unteren Rückens, da ich mich bei einer Welle etwas falsch bewegt hatte. Mein Grundzustand war aber noch immer der Genuss. Durch meine Vorbereitung auf eine Lustgeburt hatte ich da viel innere Ausrichtung und Stärke, die mir die körperlichen Schmerzen sehr erträglich machten. Spannenderweise waren die Wellen für mich nicht das schmerzhafteste. Schmerzfrei würde ich es auch nicht nennen, aber auf jeden Fall kraftvoll.
Gegen Abend hatte ich im Gebärpool ein wundervolles Erlebnis. Ich war so tief mit den Vorgängen in meiner Gebärmutter verbunden, dass ich mein Baby ganz genau spüren konnte. Ich spürte, wie es sich mit den Füsschen abstoss, was eine Gebärmutterkontraktion auflöste und wie diese wiederum das Kind ein Stückchen weiter nach unten schob. Und plötzlich war da kein Zweifel mehr darüber, dass wir eine Tochter kriegen würden. Ich wusste es einfach. Ich spürte es, das Kind in mir drin war ein Mädchen.
In dieser Phase, als ich so tief mit den Bewegungen in meinem Körper mitging, gabs einen Shift in meinem Geburtsprozess. Mariela kam und fragte, ob sie die Herztöne hören darf. Ich meinte, nein, das sei nicht nötig, da ich das Baby ganz klar spüre und sicher sei, dass alles gut sei. Sie akzeptierte das und entfernte sich wieder. Eine Weile später kam die zweite Hebamme, die ihr als Unterstützung gekommen war, und wollte nochmals Herztöne hören. Da fühlte ich mich etwas vor den Kopf gestossen, nicht ernst genommen. Ich wiederholte meine Wahrnehmung, doch ab dem Moment kam eine Unsicherheit in mich hinein. Bea (die Hebamme) liess mich dann auch wieder alleine, doch ich holte die beiden bald wieder hinzu, weil ich die Verbindung zu meinem Körper nicht mehr stark spürte und plötzlich unsicher war, ob alles gut war. Die Herztöne waren dann aber in Ordnung.
Dieser kleine Zwischenfall und bestimmt noch weitere Gründe führten dann zu einer sehr anstrengenden Phase für mich. Mein Kopf begann sich zu drehen. Die kleinen Zweifel, die vorher schon da waren, ob ich «zu langsam» sei und die körperlichen Strapazen wurden laut. Ich fühlte mich mittlerweile auch sehr erschöpft (ja kein Wunder, nach drei Tagen Gebären!!). Die Verbindung zu meinem Körper war nur noch sehr schwer aufzubauen und ich fühlte mich wie eine Versagerin. Mit all dem Wissen und all der Vorbereitung hatte ich die Erwartung an mich gehabt, eine schmerzfreie, lustvolle und einfache Geburt zu erleben. Im Nachhinein schmunzle ich über meinen Perfektionismus, doch in der Phase war dieses Leiden für mich sehr real und es dauerte Stunden, bis ich wieder zurückfand zu mir. Wenn ich jetzt darüber schreibe, spüre ich immer noch eine Trauer im Herzen, dass ich so hart mit mir war.
Das Baby drückte auf meinen Anus, was in mir einen Pressdrang auslöste. Da ich aber noch nicht ganz komplett offen war, riet mir Mariela, den Pressdrang zurück zu halten. Dies erforderte unglaublich Selbstdisziplin von mir, denn ich hatte das Gefühl, gegen Impulse meines Körper vorzugehen. Im Nachhinein verstehe ich warum das wichtig war, doch in dem Moment war das eine zusätzliche Erschwerung meines Prozesses.
Max war mein Engel, er atmete mit mir durch jede Welle. Er sagte mich bestimmt fünfzig mal wie sehr er mich liebte und wie wunderbar ich alles machte. Ich konnte es in meinem inneren Film nicht voll annehmen und doch trug es mich durch diese, ja, ich würde schon sagen, innere Hölle. Einmal sagte ich zu Mariela, dass dies die grösste Herausforderung war, der ich jemals in meinem Leben begegnet war (und ich hatte schon grosse Herausforderungen gemeistert..) Mein Kopf war absolut überzeugt davon, dass ich das nicht schaffen würde, ich sah Szenarien von Spital, PDA und Krankenhaus vor mir und konnte jede Frau verstehen, die sich freiwillig für diesen Weg entscheidet. Ja zwei Mal gaukelte mein Verstand mir sogar vor, dass da gar kein Kind aus mir rauskommen würde. Ein unglaubliches Zeugnis von der Kraft unseres Geistes! Zuerst unterstützte er mich so krass mit den positiven Affirmationen, danach drohte er mich zu zerreissen.
Gleichzeitig spürte ich von meinem Kind, dass es mir mit Mitgefühl begegnete und nicht von mir erwartete, perfekt zu sein.
Und mein Körper, als ob ihm das alles egal wäre, arbeitete und öffnete sich weiter.
Es war nun bereits in der Nacht auf Dienstag, als ich viel Unterstützung von meinen Hebammen in Anspruch nahm, um den Prozess zu beschleunigen, da ich zeitenweise nur noch wollte, dass die Geburt endlich vorbei ist. Sie zeigten mir Bewegungsübungen, behandelten mich mit dem Rebozo (Tuch, das in der traditionellen mexikanischen Geburtshilfe ein wichtiges Werkzeug ist) und beruhigten mich immer wieder mit Worten. Es sei alles okay, gebe keine Zeitbegrenzung, ich mache es gut. Es war schön und wichtig, sie an meiner Seite zu haben. Und eben Max, der mein grösster Anker war.
Nach einer Weile merkten wir gemeinsam, dass ich einfach nochmals einen Moment «Pause» brauchte. Nichts mehr pushen, allen Stress loslassen. Max und ich zogen uns in unser Zimmer zurück. Er half mir mit Atemübungen, zurück in meinen Körper und zu meiner Quelle zu finden. Mein Karussell wurde langsamer und ich begann wieder mehr zu spüren. Nach einiger Zeit kam ein Impuls durch mich: «So, jetzt holen wir sie raus!»
Dies ereignete sich nach meinem inneren Ja zu zerreissen, wenn es sein musste. An diese Worte erinnere ich mich ganz klar.
Ich stand auf, ging aufs Klo und rief die Hebammen, um ihnen meine Entscheidung mitzuteilen. Sie überlegten schon kleinere Interventionen wie eine Eröffnung der Fruchblase, die immernoch schützend um den Körper unseres Babys lag. Sie fragte mich, ob sie tasten dürfe. Das nächste, was ich sah, war ein Lächeln auf ihrem Gesicht und Mariela, die mich fragte, ob ich mein Baby spüren wolle. Es sei fast da.
Mein Partner sagt, dass ich ab dem Moment nicht mehr wiederzuerkennen war. Dass sich mein Gesicht von tief in Falten liegend zu einem Strahlen öffnete und ich ab da kein Wort mehr über Schmerz sagte, sondern nur noch Kraft und Ekstase ausstrahlte. Endlich durfte ich pressen! Ich öffnete meine Flügel und nahm jede Welle mit Gebrüll und schob mein Kind tatkräftig mit meiner Gebärmutter aus meinem Körper heraus. Ein unglaublich rohes Gefühl, wie sich Knochen öffneten und aneinander vorbeischoben. Das archaischste Erlebnis, das ich je hatte, für das es keine angemessenen Worte gibt. Ich fühlte meine grösste, rohste Kraft.
Nach 40min war unsere wunderschöne Chaya Tonantzin geboren. Sie lag in ihrer Fruchtblase, bis ihr Kopf meinen Körper verliess. Ihren Kopf gebar ich in meine Hände, den Körper in die ihres Vaters.
Die Plazenta kam rasch mit einigen sanften Wellen danach.
Was für eine Initiation diese Geburt für mich war. Sie konfrontierte mich mit meinem grössten Schatten, dem härtesten Umgang mit mir selbst. Und zeigte mir, dass ich grösser bin als das. Dass mein Verstand mir voller Überzeugung Dinge sagen kann, die grundlegend falsch sind. Ich konnte, was er mir weismachen wollte, dass ich es nicht kann.
Das ist ein Schatz, den ich fürs ganze Leben im meinem Herzen tragen werden.
Ich muss nicht perfekt sein, nicht perfekt gebären. Meine erste und vielleicht wichtigste Lektion für mein Leben als Mutter.
Danke Leben für diese unglaubliche Geburt. Genau so, wie sie war.
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